Steinbach. Inmitten von Rebhängen, am Fuße der Burgruine Yburg, im Jahr 1258 mit dem Stadtrecht beliehen, seit der Gemeindegebietsreform 1972 Stadtteil von Baden-Baden. Und ein Musikverein, der auf eine lange Geschichte zurückblicken darf.
Eigentlich hätte die Stadtkapelle Steinbach bereits im Jahre 2000 ihr 250-jähriges Bestehen feiern können. – Ja. Eigentlich schon. Tatsächlich stammt die älteste Aufzeichnung über das Bestehen einer Musikgruppe aus dem Jahr 1750. Das Schriftstück wurde vor einigen Jahren im Steinbacher Archiv entdeckt.
Bei intensiven Nachforschungen fand man weitere Unterlagen. Aus denen geht eindeutig hervor, dass – über einhundert Jahre später – 1852 eine Musikergruppe unter Leitung eines Herrn Lang sowie eines Herrn Hiß bestand. So wurde schließlich das Jahr 1852 als “offizielles Gründungsjahr” anerkannt.
Die Aktivitäten der Gründerzeit bezogen sich besonders auf den kirchlichen Bereich. “Regimentsmusikus” Karl Withum leitete ab 1870 die Kapelle. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm dessen Sohn und Bürgermeister Friedrich Withum die Stabführung. Er war es auch, der die Initiative ergriff und den Verein am 13.01.1924 aus der Taufe hob. Ab 1925 war August Walter Ersatzdirigent. Er übernahm jedoch nach und nach die alleinige musikalische Leitung. In der Generalversammlung 1930 löste Emil Zubrod den bisherigen Vorsitzenden Friedrich Dresel ab.
Eine ganz große Ära begann 1936, als Karl Volz den Dirigentenstab übernahm. Er prägte die Entwicklung des Vereins Jahrzehnte lang. Dies begann schon damit, dass er sich intensiv der Förderung des Nachwuchses widmete. Die von ihm gegründete Jugendkapelle trat 1937 erstmals auf. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs ruhte überall jegliche Vereinsarbeit.
Es ist Karl Volz zu verdanken, dass nach Ende des Krieges bereits im Juni 1945 wieder mit den ersten Proben begonnen wurde. Zunächst wurde im Wohnzimmer eines Musikers geprobt, da sämtliche Gasthäuser und auch das Schulhaus, wo sich das Probelokal befunden hatte, von französischen Besatzungstruppen belegt war. Durch die Heimkehr weiterer Musiker wuchs auch die Stärke der Kapelle. So konnte die Stadtkapelle schon Ende Juli 1945 anlässlich des Patroziniumfestes bei der Prozession mitwirken.
Ab dem Frühjahr 1946 begann auch wieder die Ausbildung des Nachwuchses. Das Musizieren selbst machte also zügig Fortschritte. Zahlreiche Auftritte in Steinbach selbst, aber auch außerhalb, brachten den Aktiven schnell große Beliebtheit. Formell den Verein nach den Kriegsjahren wieder neu zu gründen, war hingegen nicht so einfach. Nachkriegszeit und Besatzungsstatut hatten eigene Gesetze. Sogar die Militärkommandantur in Bühl musste ihre Zustimmung geben.
Am 07.12.1946 fand schließlich die Gründungsversammlung statt. Erster Vorsitzender wurde Eugen Wäldele. 1948 konnte die Jugendkapelle im Dezember ihren ersten Auftritt feiern. Mit Eugen Werr übernahm 1950 ein begeisterter Musikliebhaber den Vorsitz im Verein. Im gleichen Jahr feierte die Stadtkapelle das 80-jährige Musikfest. Das 80-jährige Fest deshalb, weil man noch nichts wusste von der Existenz der Aufzeichnungen von 1852 oder gar 1750. So vermutete man die Bildung der Kapelle um 1870, also erst 80 Jahre zuvor. Über 30 Kapellen aus nah und fern machten aus dem Jubiläum ein großes Fest.
Ab 1950 stand mit dem Bau des Marienhauses endlich ein größerer Saal für Vereinsveranstaltungen zur Verfügung. Doch für die Konzerte der Stadtkapelle war auch diese Räumlichkeit zu klein. Die Konzerte waren bei der Bevölkerung sehr, sehr beliebt. 1951, als das erste Konzert im Marienhaus statt fand, waren 600 (!) Besucher gekommen. Der Saal war restlos überfüllt. In den 50er Jahren entwickelte sich die Stadtkapelle zu einem wichtigen Kulturträger.
Die traditionellen Osterkonzerte wurden immer beliebter und brachten den Musikanten größte Anerkennung. Mit dem Neubau der Meister-Erwin-Halle 1957 war auch die Saalfrage keine Problem mehr. 1958 hatte die Stadtkapelle mit dem Steinbacher Stadtrechtsjubiläum und der Mitwirkung beim Weinfest des Bezirkes Bühl mehrere beeindruckende Auftritte. Auch im Ausland zeigte die Kapelle ihr Können. Bei Vereinsausflügen nach Kandersteg 1954 und Lugano 1957, sowie 1960 nach Meran.
1962 trat Eugen Werr aus gesundheitlichen Gründen als Vereinsvorsitzender zurück. Sein Amt übernahm Werner Eberle. 1970 wurde dem Verein eine besondere Ehre zuteil. Im Rahmen des Verbandsmusikfestes in Rastatt erhielt die Kapelle die “Pro-Musica-Plakette”.
Mit Ablauf des Jahres 1973 ging eine bedeutende Ära zu Ende: Kapellmeister Karl Volz bat nach 38 Jahren um seine Verabschiedung. Der Dirigentenwechsel traf den Verein jedoch nicht unvorbereitet. Aus den Reihen der Aktiven hatte sich bereits Werner Haberstroh eine Dirigentenausbildung angeeignet. Auch ihm lag die Jugendausbildung sehr am Herzen.
Was in der Gegenwart zum “normalen” Erscheinungsbild der Kapelle gehört, das begann in Steinbach 1972/73: Erstmals war das Erlernen eines Instrumentes nicht mehr den Jungen vorbehalten. Die ersten Mädchen hielten Einzug, bevorzugte Instrumente: Querflöte und Klarinette. Beim Osterkonzert 1974 trat wieder eine Zöglingsgruppe auf. Dirigent Haberstroh machte aus den Frühjahrskonzerten der Stadtkapelle Steinbach ein ganz besonderes Ereignis. Als Doppelkonzerte wurden sie zum wahren blasmusikalischen Fest.1979 wurde Anton Harbrecht Vereinsvorsitzender.
Im gleichen Jahr wurden in Steinbach die “Mittelalterlichen Winzertage” ins Leben gerufen: Ein fröhliches Fest in idyllisch-romantischen Straßen, Gassen und Winkeln, das am ersten Juni-Wochenende stattfindet. Bis heute erreicht keine Aktivität des Vereins die gleiche wirtschaftliche wie auch arbeitsintensive Bedeutung.1982 konnte der Verein sein 130-jähriges Bestehen mit einem großen Fest feiern.1988 wurde Karlheinz Walter Vereinsvorsitzender.
Mit Gottfried Degen übernahm 1990 wiederum ein Aktiver aus eigenen Reihen den Dirigentenstab, der in nahezu 2 Jahrzehnten mit seiner “Mannschaft” ein breit gefächertes Repertoire, das nicht nur bei den Jahreskonzerten, sondern auch bei anderen Auftritten und jedem Anlass großen Zuspruch genoss.
Nach dem freiwilligen Ausscheiden von Karlheinz Walter, der das Amt des ersten Vorsitzenden für 16 Jahre inne hatte, übernahm der damalige zweite Vorsitzende,
Erwin Hochstuhl, die Vereinsspitze von 2004 – 2012. In dieser Zeit endete auch die Ära des langjährigen Dirigenten Gottfried Degen, der im Jahre 2007 von Joachim
Kölmel nach 17-jähriger Tätigkeit als musikalischer Leiter abgelöst worden ist. In der Amtszeit von Gottfried Degen wurde auch die Städtl-Kapelle gegründet, die
eine Abordnung der Stadtkapelle ist und jeweils um die Faschingszeit ihre Auftritte hat.
Erwin Hochstuhl, der insgesamt über 20 Jahre in der Vorstandschaft tätig war, übergab 2012 seinen Posten in der Vereinsspitze an den damaligen Jugendleiter Marc Schneider und ein Jahr später legte Joachim Kölmel sein Amt als Dirigent nieder. Als Nachfolger für den Dirigentenposten konnte Stefan Seckler gewonnen werden.
Zum Abschluss dieser kleinen Chronologie bleibt noch, einen Blick in die Zukunft zu wagen: Das Engagement jedes einzelnen Musikanten, die Freude an der Musik und das Wissen um die Kameradschaft werden auch künftig Ansporn sein, das Kulturgut Blasmusik in Steinbach aufrecht zu erhalten und zu pflegen. Interessant wird für uns alle sein, was die Vereinschronik in 25 oder 50 Jahren zu erzählen haben wird.
Wer die Geschicke des Vereins leitete:
(Vorstände)
1924 – 1930 | Friedrich Dresel |
1930 – Krieg (39) | Emil Zubrod |
1946 – 1950 | Eugen Wäldele |
1950 – 1962 | Eugen Werr |
1962 – 1979 | Werner Eberle |
1979 – 1988 | Anton Harbrecht |
1988 – 2004 | Karlheinz Walter |
2004 – 2012 | Erwin Hochstuhl |
2012 – heute | Marc Schneider |
(Dirigenten)
1865 – 1870 | Herr Hiß |
1870 – 1919 | Karl Withum |
1919 – 1924 | Friedrich Withum |
1925 – 1935 | August Walter |
1936 – 1973 | Karl Volz |
1974 – 1989 | Werner Haberstroh |
1990 – 2007 | Gottfried Degen |
2007 – 2012 | Joachim Kölmel |
2013 – heute | Stefan Seckler |